MACHEN - Misserfolge verstehen

Aus Absagen lernen

"Wenn wir einem Interessenten ein Angebot zusenden und wir das Geschäft nicht machen, dann will ich die Gründe wissen, warum wir diesen Auftrag nicht erhalten haben. Und zwar nicht nur von unserem Vertrieb intern, sondern in erster Linie direkt vom Kunden. Von derjenigen Person, die unser Angebot erhalten hat. So kriegen wir das Feedback aus erster Hand und können besser werden. Deshalb erhalte ich jede Woche vom Innendienst eine Liste mit den verlorenen Aufträgen. Dann rufe ich diese potentiellen Kunden an und frage nach dem wahren Grund. Das sind viele Anrufe, die ich jede Woche mache. Aber auch wichtige. Denn ich lerne dabei immer wieder dazu. Und sie glauben nicht, was ich alles zu hören bekomme", sagte Marco Vassalli bei unserem ersten Gespräch im Frühjahr 2008 in Zürich Oerlikon. Gemeinsam mit seinem Bruder führte er viele Jahre die Firma Vassalli Service AG und vertrieb die Kaffeemaschinen des italienischen Herstellers Cimbali mit grossen Erfolg im Schweizer Markt. Noch heute steht in fast jedem guten Gastrobetrieb eine Cimbali.

Viele Unternehmen messen nur den Erfolg und lernen nicht vom Misserfolg.

Moderne CRM-Systeme ermöglichen das Messen und Analysieren fast aller Parameter aus dem Verkaufsprozess. Also auch über die Zahl der verlorenen Aufträge und die Gründe für die Absage. Und obwohl die meisten Unternehmen bereits heute Zugriff auf diese Informationen haben, nutzen sie diese nur bescheiden. Vielleicht hat es einfach damit zu tun, dass wir uns lieber mit dem Erfolg auseinandersetzen als mit dem Misserfolg. Und nicht mit verlorenen Kunden über abgelehnte Angebote sprechen wollen.

Dabei wäre dieses Verständnis im Firmenkundengeschäft wertvoll. Weil da in der Regel nicht soviel potentielle Kunden zur Verfügung stehen wie im B2C. Sprich, genaues Hinschauen und das systematische Erhöhen der Conversion Rates im Verkaufsprozess haben hier eine viel grössere Bedeutung. Wenn Sie verstehen, warum Sie potentielle Kunden verlieren und darin besser werden, dann benötigen Sie auch nicht so viele - meist teuer erkaufte - Leads. Aber lesen Sie hier meine Gedanken und Ideen dazu, bevor sie sich in Ihre internen Daten stürzen.

Ist der Auftrag noch zu retten?

Das schnelle Nachfassen einer Absage kann eine komplett neue und sogar unerwartete Ausgangslage schaffen. Denn vielleicht ist ihr potentieller Kunde mit der aktuellen Situation - Entscheid im Kontext zu Umfeld - überfordert. Oder es stellt sich heraus, dass er vom Verkäufer nicht richtig an die Entscheidung und den Betrag heran geführt wurde. Oder dass es Missverständnisse und Unklarheiten gibt. Vielleicht ist aber auch die Investition zu hoch. Zumindest für den Moment. Und der Kunde schiebt deshalb den Entscheid vor sich hin, abwägend und aufschiebend.

Sollte sich Ihr potentieller Kunde tatsächlich zwischen alternativen Anbietern entscheiden müssen, bedeutet die Absage nicht zwingend, dass der potentielle Kunde bereits beim anderen Anbieter zugesagt hat. So können Sie durch schnelles Nachfassen den Auftrag vielleicht noch retten.

Und selbst wenn es nicht gelingen sollte und der Kunde schon entscheiden hat: Nicht alle Lieferanten werden den Erwartungen ihrer Kunden gerecht. Und je nach Dienstleistung oder Produkt ergibt nach dem Wechsel ein neues Zeitfenster für eine weitere Kontaktaufnahme.

Ist das Angebot an die richtige Person gerichtet?

Wenn das Angebot an eine Person geschickt wird, die selber nicht Entscheidungsträger ist, dann stellt sich berechtigterweise die Frage, wer den entscheidungstreffenden Personen im Unternehmen das Angebot erklärt? Dabei aufzeigt, warum genau dies die Lösung für die aktuelle Problemstellung ist. Und gegebenenfalls sogar kritische und fachliche Fragen beantwortet und kompetent erklärt. Warum das notwendig ist?

Meist ist der Entscheid für ein bestimmtes Angebot verbunden mit der Entscheidung, ob man den bestehenden Anbieter wechseln will. Und das wiederum birgt Risiken und kann sogar Verhaltensänderungen zur Folge haben (andere Arbeitsweise). Ob es die richtige Entscheidung war, stellt sich meist erst im Nachhinein heraus.

Wann machen wir ein Angebot? Und auf welcher Basis?

Ich könnte Ihnen Unternehmen nennen, die heute noch ihren Vertrieb daran messen, wieviele Angebote jeden Tag das Haus verlassen. Egal, ob an Wunschkunden oder Stammkunden. Und ich könnte Ihnen Vertriebler nennen, die täglich individualisierte Angebote an potentielle Kunden senden, obwohl sie diese noch nicht mal persönlich gesprochen haben. Beide Verhaltensweisen bauen auf das Gesetz der Zahl und das Prinzip der Hoffnung: Je mehr Möglichkeit zu schaffst, desto mehr Geschäfte ergeben sich. Genau das machen auch junge Unternehmen, wenn sie digitale Kampagnen fahren und den Angebotsprozess gleich mit integrieren. Und sind dann erstaunt, wenn die guten Leads ausgehen.

Im Grunde ist das ja nicht falsch und auch effizient gedacht. Aber die Angebotsbesprechung ist einer der wichtigsten Schritte in der Customer Journey. Und total vernachlässigt, obwohl sie der nächste logische Schritt aus einer guten Bedürfnisanalyse oder einem gemeinsamen Workshop heraus ist.

Deshalb sollte sie immer persönlich erfolgen. Warum? Der möglichst schnelle Versand eines Angebots kommt einem kompletten Kontrollverlust gleich. Warum nicht abschliessen, wenn es keine Fragen mehr gibt und das Angebot passt? Damit würden Sie sich penetrantes Nachfassen sparen, keine Ansprechpartner mehr die sich verstecken und auch keine anderen dubiosen Überraschungen mehr.

Hier einige Ideen für Ihr kurzes Gespräch mit dem verlorenen (Neu)Kunden:

  • Wurde eine Bedürfnisanalyse durchgeführt? Und wenn ja in welcher Form?
  • Wurde im Vorfeld auch über weitere Leistungen wie Service, Finanzierung, Geld, Inbetriebnahme gesprochen?
  • Fühlten Sie sich richtig verstanden? (zu gross, falsche Anwendung etc.)
  • Haben Sie direkt während oder nach der Angebotsbesprechung entschieden?
  • Und wenn nein, wie sind Sie danach intern mit dem Angebot umgegangen?

War unser Angebot für den Kunden einfach und klar?

Das Angebot ist im Idealfall die Antwort auf die vorangehende Bedürfnisanalyse. Nichts Unerwartetes, alles logisch und im Idealfall auch kurz. So ist es die ideale Entscheidungsgrundlage.

Meine Frage an Sie: Würden Sie als aussenstehende Person die Angebote Ihres Unternehmens auf Anhieb verstehen? Und zügig finden, wonach Sie suchen? Damit Sie die richtige Entscheidung treffen können?

Ich habe einen langjährigen Kunden in der Investitionsgüterbranche. Egal wieviele Projekte wir zusammen in einem Geschäftsjahr planen, der Chef will alles auf 1 einzigen Slide. Eine gute Übung für mich, die Dinge auf den Punkt zu bringen und das Angebot von unnötigen Informationen zu befreien. Ein weiterer Vorteil für den Kunden ist: Er kann das Slide genau so ins GL Meeting oder in die Budgetrunde mitnehmen. Damit spart er viel Zeit.

Eine relevante Frage an ihren potentiellen Kunden könnte sein:

  • Haben Sie im Angebot wiedergefunden, was zuvor besprochen wurde?
  • Hat es Ihren Anforderungen entsprochen?
  • War es klar und verständlich strukturiert?
  • Hat es Ihren Erwartungen entsprochen?

Wie macht es unser Mitbewerber?

Im Geschäftskundenumfeld gewinnt meist nicht der bessere Preis, sondern das bessere Angebotspaket. Mit Paket meine ich Produkt, Problemlösung, erweiterte Leistungen (Service, Finanzierung etc.), Timing und vertrauenswürdiger Verkäufer.

Wenn Sie also erkennen, wie Ihr Mitbewerb arbeitet und sie verstehen, wie er die Bedürfnisse ihrer Kunden befriedigt, sie vielleicht sogar besser abholt, begleitet und Vertrauen aufbaut, dann können Sie einen grossen Schritt machen.

Hören Sie deshalb Ihren potentiellen Kunden genau zu und stellen Sie diese Frage:

  • Welches Produkt hat der Mitbewerber angeboten?
  • Welche Leistungen hat er mit angeboten und warum?
  • Wie hat er die Customer Journey gestaltet?
  • Wo lag er preislich?

Wie sollen wir all die verlorenen Angebote nachfassen?

Jetzt fragen Sie sich möglicherweise: Wie sollen wir nur all die verlorenen Angebote nachfassen? Die Zeit dazu haben wir doch nicht. Meine Antwort lautet: Wenn Sie derart viele Angebote verlieren, dann sollten Sie die grundsätzlichen Fragen erst mal durch Ihre Kunden beantworten lassen. Und Ihre Arbeitsweise bzw. die Ihres Teams kritisch hinterfragen.

In Gesprächen mit Ihren potentiellen Kunden finden Sie den Schlüssel für mehr Erfolg und erhöhen damit die Erfolgsquote.

Im Sommer 2021 habe ich im Auftrag eines grossen Kunden mit 10 seiner kurz zuvor verlorenen Kunden gesprochen. Es ging mehrheitlich um die Erneuerung bestehender Verträge im sechsstelligen Bereich. Obwohl der Preis in den internen Gesprächen immer wieder als Grund angeführt wurde, sahen die Kunden das nicht gleich. Denn bei fast keinem der Unternehmen war der Preis der ausschlaggebende Grund. Vielmehr waren sie unglücklich, fühlten sie sich im Prozess nicht richtig begleitet und in den Angeboten nicht richtig verstanden. Und in einigen Fällen sprach der Vertrieb ganz einfach mit den falschen Personen.

Wenn Sie die Konversion von Angebot zu Auftrag nachhaltig erhöhen wollen, dann sollten Sie systematisch verlorene Angebote nachfassen und oben stehende Fragen stellen. Idealerweise übergeben Sie die Aufgabe an eine Person, die nicht persönlich verantwortlich für die Kundengewinnung ist und kritisch die relevanten Fragen stellt. Und denken Sie daran, nicht immer sind die Türen beim Kunden geschlossen. Fassen Sie zügig nach, es ergeben sich oft neue Chancen.

Wenn ich an Marco Vassalli zurück denke. Dann waren es vor allem seine Nähe zum Kunden und der Wille besser zu werden, welche nebst der guten Produkte und dem guten Service den Unterschied zum Mitbewerb ausmachten.


Patrick Utz Portrait

Patrick Utz

Verkaufstrainer, Unternehmensberater

Patrick ist seit 2008 in der umsetzenden Beraterrolle und geniesst die Auseinandersetzung mit den Herausforderungen seiner Kunden. Diese Kunden kommen aus der DACH-Region. Genauso wie unser Team.

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