Grosse Ziele
Mir grosse und ambitionierte Ziele zu setzen, war nie eine meiner Schwächen. Ehrlicherweise muss ich aber sagen, dass deren Erreichung weitaus mehr von mir abforderte. Und ja, ich habe sie nicht alle erreicht. Wobei ich die Niederlagen im Sport deutlich intensiver empfand, als das Nichterreichen beruflicher Ziele. Die meist auf einem Blatt Papier oder in einem Spreadsheet standen. Und genau so verhält es sich auch mit dem erfolgreichen Erreichen eines realen Ziels. Auf dem Papier ist das zwar toll, aber im Sport ist es meist ein physischer Triumph über sich selbst.
In dieser Serie erzähle ich Ihnen von meinen sportlichen Abenteuern. Darüber, wie ich mich auf sie vorbereitet habe. Wie ich sie durchlebt habe. Und wie sie mich als Menschen und Unternehmer geprägt haben. Die erste Reise führt in den kalten Norden, beziehungsweise zuerst ins Kühlhaus im schweizerischen Nebikon.
Ein Ziel folgt dem Anderen
Ich fand erst im Jahre 2008 zum Sport. Die Jahre zuvor verliefen recht undiszipliniert und Sport fand aufgrund mangelnder Priorisierung keinen Zugang in meine Agenda. Nachdem ich dann aber doch gut 5 Jahre Ausdauersport machte, meldete ich mich 2012 für meinen ersten Marathon an. Obwohl ich damals Marathonläufer als verrückte Übermenschen betrachtete. Bis ich selber einer werden wollte. Am Ende unserer Amerikareise, lief ich am frühen Morgen des 29. Juli über die Golden Gate Bridge in San Francisco und danach am Hafen über die Ziellinie.
Grosse Ziele verschieben die eigenen Grenzen.
Immer länger, immer härter
Dieses und andere Erlebnisse haben mich immer wieder geprägt und meinen Horizont verschoben. Es war so viel mehr möglich, als ich Monate zuvor dachte. Und die Ausschüttung von Endorphin jenseits der Ziellinie, die meist Tage anhielt, motivierte mich dazu, gleich die nächste Herausforderung zu suchen. Grösser, schwieriger, härter und abenteuerlicher sollte sie immer sein. Auf der Suche nach dieser für mich nächsten „logischen“ Herausforderung stiess ich auf ein Buch in dem „The Most Extreme Marathons“ aufgeführt waren. Und einer - ganz hinten im Buch - liess mich nicht mehr los. Der Nordpol Marathon. Vielleicht weil ich Kälte lieber habe als Hitze oder aber weil ich damals eine vollkommen romantische Vorstellung vom Nordpol hatte. Ich weiss es nicht. 4 Wochen nach dem San Francisco Marathon meldete ich mich mit Hilfe eines Mausklicks an. Ich hatte keine Ahnung auf was ich mich da einliess.
Je mehr ich mich mit dieser Herausforderung befasste, desto klarer wurde mir, dass die Umstände da oben richtig schwierig sein werden. Und dass dieser Wettkampf mit nichts vergleichbar sein würde, was ich bis damals bereits gefinisht hatte. Ich identifizierte damals folgende Herausforderungen, zu denen ich eine Lösung brauchte:
- Warme Bekleidung, die mich nicht auskühlt, wenn ich schwitze
- Eine angepasste Laufgeschwindigkeit, um weniger zu schwitzen und länger laufen zu können
- Ein stabilerer Rumpf und Beine für die unebene Laufstrecke
- Zu jeder Uhrzeit bereit zu sein, da nicht ein Tag oder ein fixer Zeitpunkt den Start bestimmte, sondern das Wetterfenster vor Ort
Die durch Endorphin ausgelösten Gefühle halten meist Tage an.
Von der Erfahrung anderer profitieren
Die Suche nach der idealen Bekleidung führte mich über eine Empfehlung aus England zu Jacob Hastrup nach Dänemark. Inzwischen sind wir Freunde und wir haben gemeinsam auch schon Wettkämpfe gemacht. Aber diese Geschichte folgt später. Jacob ist einer der erfahrensten Läufer, die ich kennengelernt habe. 2010 lief er in einem Jahr 10 Wettkämpfe von 250km Länge. Ich glaube in Dänemark kennt ihn jeder Läufer. 2012 nahm er am Yukon Arctic Ultra teil. Einem Wettkampf an dem auch schon Menschen erfroren. Ich erhoffte mir von ihm die richtigen Inputs zur Bekleidung für solch extreme Temperaturen. Merino hiess das Zauberwort. Und entgegen meinen Erwartungen waren zwei Lagen mehr als genügend. Ein 180er Merino-Netzgewebe aus Finnland direkt auf der Haut und eine dichte 240er Lage darüber sorgten für die Wärme. Für den Schutz gegen Wind und Wetter entschied ich mich für eine Softshell Jacke, die auf dem Rücken „offen“ war. Diese besorgte mir ein Schweizer Kunde bei seinem Lieferanten aus Schweden. Genauso wie die dünnen Merino-Handschuhe und die Balaklavas (Gesichtsmasken aus Stoff).
Möglichst reale Trainingsbedinungen
Etwas spektakulärer als die Suche nach der richtigen Bekleidung waren dann die Trainings selbst. Und da die Winter damals auch nachts kaum mehr als -10°C hergaben, brauchte ich eine Umgebung in der es wirklich kalt war. Wie sonst konnte ich Bekleidung und Laufgeschwindigkeit austesten und sorgfältig aufeinander abstimmen. Zudem brachten mir Wohlfühlläufe im Schweizer Winter wenig. Nach längerer Suche fand ich im Kühlhaus der Firma Galliker eine Trainingsumgebung mit -27°C. Einige Paletten am Boden simulierten die unebene Strecke. Beobachtet von den Mitarbeitern im Lagerhaus lief ich meine Runden. Meist stundenlang.
Während der Vorbereitung tauschten wir Athleten uns untereinander auf Facebook aus. Von allen Kontinenten kamen sie. So lernte ich auch Ali „The Libanese Runner“ kennen. Es war wichtig für ihn, erfolgreich zu sein. In seinem Land war er sehr bekannt und galt als Läufer für die Freiheit. Und als er von meinen unkonventionellen Trainingsmethoden erfuhr, stellte er sich eine vergleichbare Trainingsanlage im warmen Libanon zusammen. Diese bestand aus einem Laufband, das in der Kühlhalle einer Grossmetzgerei stand. Knappe Minustemperaturen aber trotzdem genug kühl, dass das Laufband nach wenigen Wochen den Geist aufgab. Wir haben uns gegenseitig Videos geschickt und uns wie kleine Kinder über all die Details an unserem Material ausgetauscht.
Beobachtet von Mitarbeitern, lief ich im Kühlhaus meine Runden. Meist stundenlang.
Auf der Suche nach unwirklichen Bedingungen
Die Kälte im Kühlhaus wurde langsam erträglich. Wenn immer es draussen stürmte und schneite, ging ich auch draussen laufen. Bestens geschützt durch meine Bekleidung, lief ich vor allem spät abends oder nachts lange Strecken. Bei jedem Wetter. Meine Familie fuhr geschützt im warmen Auto vom Kinobesuch oder Nachtessen mit Freunden nach Hause. Ich lief durch die stürmische Nacht. Je mehr es schneite, desto besser. Mein Umfeld hielt mich für bekloppt. Genauso, wie wenn ich nachts mit Stirnlampe quer durch den knietief verschneiten Wald lief.
Da denkst Du, Du seist auf alles vorbereitet
Anfangs April ging es dann los. Alleine aber mit Übergepäck - zur Sicherheit hatte ich alles doppelt dabei - flog ich zuerst nach Oslo, wo ich übernachtete und in der Hotelsauna versuchte, eine verschleppte Grippe loszuwerden. Böse Zungen behaupten, das sei psychisch gewesen. Na ja, besser wurde das auch auf dem Weiterflug ins nördliche Tromsø und das ewig weisse Spitzbergen nicht. Was mich aber noch mehr verunsicherte war, wie sich da oben die Kälte anfühlte. Selbst die -24°C waren kälter als die -27°C in Nebikon. 48 Stunden später dann flogen wir mit einer extra leichten, russischen Spezialmaschine an den Nordpol. Der übrigens nicht viel mehr ist als treibendes Eis, das immer mal wieder aufbricht und sich umschichtet. So richtig unwirklich wurde es dann aber als wir aus dem Flieger ausstiegen. Die Trockenheit in Kombination mit der Kälte fühlte sich etwa so an, wie wenn Ihnen jemand zeitgleich zwei Grissini bis zum Anschlag in die Nase steckt. Im Zelt war es dann aber angenehm warm. Dort warteten wir auf Abruf, bis der Wettkampf startete.
Die Kälte erwischt jeden. Irgendwann. Ohne dass man es merkt.
Und dann kommt trotzdem vieles anders
Nach dem gemeinsamen Photo ging es los. Die mahnenden Worte des Veranstalters im Kopf, versuchte ich gemässigt loszulaufen. Als uns aber die Strecke in die verschneiten Eisplatten hinaus führte, was jeder Versuch von Laufen zu viel. Maximalpuls nach 5 Minuten. Die Strecke war in 9 Runden von jeweils knapp 4.7km unterteilt. Aus zwei zentralen Gründen. Einerseits war es mental einfacher unter diesen Bedingungen Runde für Runde zu laufen. Das grosse Ziel wurde in erreichbare Teilziele unterteilt. Der zweite und viel wichtigere Grund aber war Hypothermie. Die Kälte konnte jeden von uns erwischen, ohne dass wir es merken würden. Von innen durch Unterkühlung und von aussen in Form von Erfrierungen. Beides merkt man nicht wirklich, die Anzeichen sind aber von aussen bestens sichtbar. Viele erlagen ihr oder mussten im Zelt pausieren, bis sie wieder startklar waren. Meine Bekleidung war perfekt.
Eine Dusche bei -37°C
So unambitioniert wie ich war, hatte ich mir im Kühlhaus eine Strategie ausgedacht. Ich wollte durchlaufen, also nicht ins Zelt gehen und mich dort verpflegen, sondern durchziehen. Dazu hatte ich zwischen der ersten und zweiten Lage Bekleidung einen 2 Liter Wassertank mit hypotonischem Sportgetränk auf meinem Köper. Das funktionierte im Training hervorragend und die Flüssigkeit fror auch nicht ein. Doch nach einem Drittel der ersten Runde hörte ich ein Geräusch und die Hälfte der Flüssigkeit lief mir den Rücken runter. Bei -37°C. Spontane Reaktion im Kopf: Todesangst. Rennaufgabe. Unterkühlung. In der Hektik kurz vor dem Start, bewegte ich beim Anziehen der Bekleidung den Schlitten des Wassersacks zur Seite. Und dieser öffnete und entleerte sich dann unterwegs.
Bis auf die Haut nass. Spontane Reaktion im Kopf: Todesangst.
Zurück im Zelt griff ich auf Plan B zurück. Ich hatte ja nochmals einen kompletten Satz Bekleidung. Allerdings musste ich erst mal trocken werden. Denn Merino lässt sich in der Hektik und auf feuchter Haut denkbar schlecht anziehen.
Taumelnd ins Ziel
Runde für Runde fand ich meinen Rhythmus und ging nur jede zweite Runde kurz ins Zelt, um ein Energie-Gel zu essen. Zwischenzeitlich sah es da aus wie im Lazareth. Anfangs der 8. Runde merkte ich, wie mein Körper runter kühlte. Auf meiner Brust hatte sich zwischen den beiden Wollschichten eine Eisplatte gebildet. Die nach der Dusche angezogene Aussenhülle war nicht ganz so atmungsaktiv wie die erste. Erst auf der 9. Runde merkte ich dann, dass die ersten Signale zuvor echte Warnzeichen waren. Taumelnd schaffte ich den Finish nach 6 Stunden. Inklusive Reifenwechsel nach Runde 1.
Was mich dieses Abenteuer gelehrt hat
Vermutlich war dieser Wettkampf mein bisher intensivster. Ich habe viele Wochen gebraucht, um dieses Erlebnis zu verarbeiten. Körperlich und noch länger im im Kopf. Das hat vor allem mit den unwirklich extremen Bedingungen zu tun. Und dem, was dieser Ort in Dir auslöst. Eine Grenzerfahrung. Und doch waren die Grenzen vor allem in meinem Kopf. Vielleicht auch dank der optimalen Vorbereitung:
- Der Weg zum Experten hat sich gelohnt. Jacobs Erfahrungen waren Gold wert. Zudem habe ich einen tollen Freund gefunden. Wann immer ich Neuland betrete, sprechen ich mit Menschen, die schon da waren und erspare mir unnötige Experimente.
- Die Simulation der Bedingungen im Kühlhaus hat mir enorm geholfen, mich in fast jeder Hinsicht richtig vorzubereiten. Die Balance zwischen Laufgeschwindigkeit und Schwitzen war ein wichtiger Faktor. Auch wenn ich anfangs nicht den Rhythmus fand.
- Und die Trainingsläufe in der Nacht, im Schnee und im Kühlhaus, haben meine Skala erweitert, so dass es eigentlich nicht viel schlimmer kommen konnte, als ich es bereits im Training erlebt hatte. Dachte ich.
- Dieses fast unnahbare Ziel, zwang mich einmal mehr raus aus der Komfortzone. Und ich musste meine bisherigen Methoden hinterfragen und verbessern.
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