DIE RICHTIGE FLUGHÖHE REDUZIERT LEERLÄUFE

Lass uns einige Jahre zurückgehen. Meine ersten Berufsjahre während des Abendstudiums verbringe ich im Unternehmen meines Vaters und kann dort viel lernen. Doch das Spannendste dabei ist, meinen Vater zu beobachten. Einen Unternehmer Ende 40, der ein typisch mittelständisches Handelsunternehmen aufgebaut hat und führt.

Die Assistentin meines Vaters fährt jeden Morgen auf ihrem Weg ins Geschäft bei der Post vorbei und leert dort das Postfach. In der Regel ist sie dann bereits um 7:15 Uhr in der Firma. Sie öffnet alle Briefe und ordnet diese den jeweiligen Abteilungen zu. Für jede der sieben Abteilungen gibt es eine Mappe. Die sieben Mappen legt sie dann meinem Vater auf den Tisch, einen Kaffee stellt sie dazu. Das erwartet ihn, sobald er morgens sein Büro betritt. Fast immer kommt er gegen 7:40 Uhr an.

Als Erstes überfliegt er den Inhalt der Mappen, liest die wichtigsten Papiere durch und pickt sich ab und zu Dokumente heraus. Diese legt er dann vorn auf die Mappe, weil er in der Morgensitzung mit den Verantwortlichen noch kurz darüber sprechen will.

Um 8:00 Uhr kommen die Abteilungsleiter zur Morgensitzung in den obersten Stock. Bestens vorbereitet verteilt mein Vater die Mappen und weist auf die aus seiner Sicht wichtigsten Papiere hin. Dabei sagt er Dinge wie: »Martin, ich habe das Angebot der Dorfgarage gesehen. Warte noch mit der Bestellung des Außendienstfahrzeugs. Ich habe letzte Woche zufälligerweise den Ford-Händler getroffen. Er sagte mir, dass er ein neues Modell habe, das gut zu den Anforderungen passt. Wir sollten da auch ein Angebot einholen.« Und zum Lagerleiter sagt er: »Da sind zwei Bewerbungen für die Lehrstelle drin. Einer macht mir einen ausgezeichneten Eindruck. Ich habe ihn dir ganz vorn hineingelegt. Ich komme gerne zum Gespräch mit den Eltern dazu.«

Erst viel später erkenne ich, dass er mit diesen Kommentaren und Hinweisen eine Erwartung ausspricht und so die Entscheidung vorwegnimmt. In diesen zwei Fällen bei seinen beiden Abteilungsleitern, die für Fahrzeug- und Bewerberauswahl zuständig sind.

Natürlich laufen viele interne Prozesse heute nicht mehr so ab. So gelangen Bewerbungen auf dem elektronischen und direkten Weg zur Personalleitung. Und die Angebote kommen meist direkt per Mail zur anfragenden Person.

Was sich aber nicht verändert hat, ist, dass die oberste Führungsebene fast immer in Entscheidungsprozesse einbezogen wird. Oder sie gibt Anweisungen, was zu tun ist, und behält damit auch die Kontrolle. Insbesondere dann, wenn die Bedeutung der Entscheidung für das Unternehmen wichtig ist und der Entscheid selbst nicht alltäglich. Derartige Beschlüsse werden in der Regel nach Rücksprache gefällt. Oder die Führung sorgt mithilfe von Meetings oder Updates dafür, dass sie dem Prozess ganz nah folgen kann.

Letztlich will niemand einen Fehler machen. Und auch die Führung möchte Fehler vermeiden. Ich habe oft den Eindruck, dass gerade darin – in der Fehlervermeidung – die größte Herausforderung für Entscheidungsträger besteht. Wichtiger als die Wahl des richtigen Partners ist es, die richtige Entscheidung zu fällen.

SCHNELLER ALS GEDACHT 

Erinnern wir uns an mein Telefonat mit Peter Meier. Was denkst du, wie wäre die Geschichte wohl ausgegangen, wenn ich persönlich mit der verantwortlichen Person bei der Eigentümerin gesprochen hätte? Oder sogar mit den Eigentümern selbst?

Ich kann dir darauf keine Antwort geben. Weil es nie dazu gekommen ist. Aber ich erkläre es dir an einer typischen Begegnung.

Ich sitze bei einem inhabergeführten mittelständischen Unternehmen im Besprechungsraum des Firmeneigentümers. Das Unternehmen ist im süddeutschen Raum Marktführer und beschäftigt mehr als 500 Mitarbeiter. Mir gegenüber sitzen der 80-jährige Gründer und sein CEO.

Das Gespräch verläuft gut. Wir sind weit über der geplanten Zeit und ich versuche, etwas Klarheit zu schaffen, damit ich den nächsten Schritt einleiten kann: »Was denken Sie, könnte dieses Vorgehen Ihren Vertrieb einen Schritt weiterbringen?« Die Frage ist an beide Herren gerichtet, die mir gegenübersitzen.

»Unbedingt«, prescht der Inhaber vor und bezieht den Geschäftsführer mit ein: »Wir sollten das machen oder Jürgen?« »Ja, der Ansatz erscheint überzeugend. Aber ich möchte das noch mit unserem Vertriebsleiter besprechen.«

»Wann, denkst du, kannst du das einrichten?«, fragt ihn der Inhaber. »Ich sehe ihn am Donnerstag nächste Woche.« »Herr Utz hätte aber sicher gerne eine Entscheidung, oder?« Der Inhaber schaut mich an. Ich schweige, schmunzle und beobachte.

Der Inhaber dreht sich zum Geschäftsführer und sagt: »Aber wir können dem Herrn Utz doch heute schon sagen, dass wir den Piloten starten werden, oder?« Der CEO dreht sich bewusst zu mir und beendet den Dialog mit: »Ich melde mich nach dem Austausch mit dem Vertriebsleiter. Vielleicht höre ich ihn auch morgen schon.«

Drei Tage später fixieren wir die Termine.

Du fragst dich vermutlich, warum das jetzt so schnell gegangen ist. Und vermutlich auch, ob das hier die Regel ist oder doch eher die Ausnahme.

Wenn du mit den tatsächlichen Entscheidungsträgern sprichst, erhältst du im Normalfall am Ende des Gesprächs ein klares und ehrliches Feedback. Im geschilderten Fall war es ein sehr positives Feedback. Das sicherlich auch damit zu tun hat, dass ich über eine sehr gute Referenz an diesen Termin gekommen bin.

Demgegenüber stehen Gespräche mit Bereichsverantwortlichen in großen Unternehmen. Entscheidungen benötigen da deutlich länger, bis sie gefällt sind. Weil viel mehr Menschen involviert sind. Das können schnell drei, vier oder fünf Personen sein, die einbezogen werden. Deshalb ist der Entscheid an sich auch oft eine Art Kompromiss und selten mutig. Viele von uns bezeichnen sie als »politische Entscheide«.

Also das Gegenteil von dem, was gerade im Besprechungszimmer des Unternehmers vorgefallen ist. Doch weshalb fiel es dem Unternehmer derart leicht, so schnell zu entscheiden? Man könnte fast von einem spontanen Entscheid sprechen. Immerhin ging es hier um einen sechsstelligen Geldbetrag.

Über den Autor: Patrick Utz ist Vertriebsexperte und Sales-Trainer. Aufgewachsen in einer Unternehmerfamilie versteht Utz wie kein Zweiter, aktiv neue Kunden zu gewinnen und den eigenen Betrieb gezielt zu entwickeln. Der Ökonom ist Autor von «Verkauf. Schlau. Machen.». Das Buch steht ab 14. Mai im Fachhandel und kann bereits jetzt überall vorbestellt werden.
Zu seinen Kunden gehören Konzerne, KMUs im DACH-Raum sowie die drei großen Schweizer Universitäten St. Gallen, Zürich und ETH Zürich. Der Extremsportler lief als erster Schweizer den Marathon am Nordpol. Es folgten «Adventure-Races» in Island, Skandinavien und Schottland.


Patrick Utz Portrait

Patrick Utz

Verkaufstrainer, Unternehmensberater

Patrick ist seit 2008 in der umsetzenden Beraterrolle und geniesst die Auseinandersetzung mit den Herausforderungen seiner Kunden. Diese Kunden kommen aus der DACH-Region. Genauso wie unser Team.

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