Es ist mein Fehler.
Ich komme nach der dritten Etappe spät und als letzter ins Zelt. Es ist dunkel, die Temperaturen gegen Null Grad. Mein Arm schmerzt wie die Hölle und ich stehe den Tränen nahe. Die Zahl der Athleten in unserem Zelt wird immer kleiner. Nicht nur in unserem, auch in den 38 anderen.
Hinter uns liegen 160 Kilometer quer durch Islands Wildnis. Mein Arm schmerzt derart, dass ich nicht schlafen kann. Und weil mein rechtes Fussgelenk wie eine rote Orange aussieht und sich mein Fussnagel verabschiedet hat, ist laufen keine Option mehr. Gehen bedeutet hier, dass ich die 13 Kilogramm auf meinem Rücken zwei bis drei Stunden länger tragen muss. Vor uns liegen unbezwingbare 90 Kilometer.
Ich teile meinen Kollegen mit, dass ich aussteige und mich in den warmen Bus setze. Sie wollen mich davon abhalten und bieten mir an, die verbleibende Strecke gemeinsam zu gehen. Finishen ist alles, lautet das Credo.
Doch mein Zustand ist derart schlecht, dass ich aussteige und bereits am nächsten Morgen in Reykjavik im Flugzeug sitze. Es folgen schmerzvolle Tage und schlaflose Nächte. Die Medikamente helfen nicht. Der Fuss erholt sich, doch mein Halswirbel ist wochenlang gereizt und verletzt.
Ich ärgere mich darüber, dass ich diesen Wettkampf derart unterschätzt habe. Von den Wetterbedingungen, über das Gewicht des Rucksacks bis zu meiner ungenügenden körperlichen Verfassung. Als Finisher des Nordpolmarathons fühlte ich mich unsterblich. Ich habe zu wenig und falsch trainiert. Ein grosser Fehler, wie sich jetzt herausstellt.
Erfolg verzerrt die eigene Wahrnehmung. Er verleitet uns dazu, dass wir Ziele unterschätzen und zu wenig dafür tun. Bis wir erkennen, dass das Ziel nicht (mehr) erreichbar ist.
→ Wie stellen Sie sicher, dass ihre Wahrnehmung realistisch bleibt?