Gefährliche Zweifel

«Patrick, ich benötige deine Hilfe. Ich konnte meine Firma erfolgreich verkaufen. Der Käufer ist ein toller Typ und hat auch schon viel Verkaufserfahrung. Um den mache ich mir wenig Sorgen. Aber meine ehemaligen Kollegen sollten mehr machen. Die haben ein echtes Auftragsproblem. Und ich möchte nicht, dass das auf mich zurückfällt. Ich bezahle das gerne aus meiner Kasse.»

«Was hast du dir vorgestellt, Kurt? Welche Erwartung hast du an mich?»

«Könntest du mit den Beratern meiner früheren Firma ein Telefontraining durchführen und ihnen helfen, Termine zu generieren? Die benötigen einfach wieder ein wenig Erfolg, dann kriechen sie auch wieder aus der Komfortzone heraus. Im Moment herrscht da Stillstand.»

Kurt hat das Unternehmen vor einigen Monaten verkauft. Wir sind seit vielen Jahren gute Freunde und ich möchte ihm helfen.

Einige Tage später verständige ich mich mit dem neuen Besitzer auf die Inhalte des Telefontrainings seiner Verkaufsmannschaft. Wir legen fest, was die Teilnehmer vorbereiten müssen. Zudem stellt er noch weitere Telefonlisten aus Branchen zusammen, in denen er früher gearbeitet hat.

An einem Freitagmorgen um 8:00 Uhr starten wir. Ich bin umrahmt von fünf erwartungsvollen Herren, die alle ganz genau darauf schauen, was ich mache. Der Raum ist voll mit dieser unausgesprochenen, erdrückenden Erwartungshaltung. Ich mag das gar nicht.

Wir arbeiten die Telefonlisten durch und klären letzte Punkte zu den Entscheidungsträgern. Auch eine Referenzliste erstellen wir, damit wir branchen- und regionenbezogen zügig arbeiten können. Nach diesen gemeinsamen Vorbereitungen beginne ich damit, potenzielle Neukunden anzurufen. So wie ich das immer tue.

Das Zeitfenster ist nicht optimal. Der Morgen ist schon etwas fortgeschritten. Ich habe schon 16 Nummern gewählt und noch keinen Entscheidungsträger gesprochen. Wir machen eine kurze Pause.

Am Rande höre ich erste Diskussionen darüber, ob Akquise per Telefon überhaupt Sinn macht. Um 9.45 fahre ich fort, weitere Entscheidungsträger anzurufen. Alle sitzen um mich herum und hören zu. Die Neugierde weicht einer gefühlten Langeweile.

Es ist nicht mein Tag. Nach weiteren zwei Stunden habe ich mit sechs Entscheidungsträgern gesprochen, aber immer noch keinen Termin. Das ist mir vor etlichen Jahren das letzte Mal passiert. Ich zweifle gerade an der Qualität meiner Liste und frage mich, ob ich einen schlechten Tag erwischt habe. Dass das genau jetzt passiert, ärgert mich enorm. Aus dem weißen Ritter wird ein Versager, denke ich.


Gefaehrliche zweifel illustration

Einen Rückzieher will und kann ich jetzt nicht machen. Ich habe den Eindruck, dass die genau darauf warten. Auf den Rückzieher und dass das nicht funktioniert. Damit hätten sie eine starke Antwort auf den Druck, der ihnen vom neuen Besitzer entgegenkommt. Wenn ich es nicht besser wüsste, hätte ich den Bettel hingeworfen. Die Verzweiflung wird sichtbar größer. Und langsam sieht man mir auch an, dass es nicht wie geplant läuft.

Rolf schaut mich von der Seite an. Ich habe den Eindruck, dass er leicht schmunzelt: «Patrick, es ist 11:51 Uhr. Dieser Druck, dem du dich aussetzt, bringt nichts mehr hervor. Komm, wir gehen jetzt zum Mittagessen und machen später weiter. Dann kannst du etwas entspannen.»

Nein, das will ich nicht, denke ich und blicke nochmals auf mein Blatt. Da ist einer, den ich nicht erreicht habe. Ich solle es nach 11:30 Uhr nochmals versuchen, sagte die Rezeptionistin vorhin. Ich drehe meinen Kopf zu Rolf: «Nein, jetzt gehen wir noch nicht. Wir haben noch fünf Minuten in der Primetime. Die nutzen wir jetzt.»

Endlich klappt es. Endlich bestätigt mich meine Erfahrung. Auch wenn ich lange darauf warten muss. Kurz vor 12:00 habe ich einen Termin. Echt daran geglaubt habe ich seit einer Stunde nicht mehr. Rolf sagt kein Wort. Er zieht die Jacke an und will jetzt essen gehen. Der neue Besitzer meint: «Gut gemacht. Seht ihr, das geht schon. Auch für Patrick war das heute kein Zuckerschlecken. Warum sollte es denn für uns eins sein?»

Nach dem Mittagessen beginnen wir in Gruppen Termine abzustimmen. Es ist Freitagnachmittag und es läuft wie am Schnürchen. Alles fügt sich so, wie es sein muss. Die Entscheider sind im Büro erreichbar und bereit, uns einen Termin zu geben.

Selbst bei mir läuft es am Nachmittag gut und ich erreiche an diesem Tag doch noch eine Konversion von knapp 40 Prozent. Immer noch sehr tief für meine Verhältnisse, der Morgen war ein Desaster. Insgesamt zwölf Gesprächspartner habe ich am Telefon und mit fünf vereinbare ich einen Termin. Nach so einem Morgen tut das gut.

Dieser Tag hat mich viel Energie gekostet. Und ehrlich gesagt sind auch Zweifel aufgekommen, ob ich das alles richtig mache und ob unsere Vorgehensweise tatsächlich gut ist.

Zu Hause angekommen mache ich noch nicht Feierabend, sondern analysiere den Tag. In meinen Zahlen finde ich Antworten: Die Quote hat sich in den letzten Wochen verbessert. Einzig dieser Tag heute ist ein Ausreißer und nicht die Regel. Zwar ist meine Vorgehensweise noch jung und offensichtlich nicht wirklich verankert. Deshalb haben mich die schlechten Resultate derart verunsichert und aus dem Konzept geworfen. Selten habe ich derart an mir und meiner Methode gezweifelt.

Und auch das Skript werde ich in Zukunft wieder vor mich hinlegen, wenn ich telefoniere. Nicht immer bin ich der sicheren Linie gefolgt und vor allem dann abgeschweift, wenn mich mein Gegenüber aus dem Konzept gebracht hat.

Auch in den kommenden Wochen und Monaten erlebe ich immer wieder Tage, an denen es nicht so gut läuft. Ich ertappe mich dabei, dass ich mich genau dann noch mehr unter Druck setze und an mir zweifle. Meine eigenen Erwartungen sind oft so hoch, dass ich ihnen gar nicht gerecht werden kann. Und ich muss lernen zu akzeptieren, dass nicht alle Tage gleich gut ablaufen. All dies nährt meinen inneren Schweinehund, der mich dann daran hindert, das zu tun, was mich letztlich erfolgreich und glücklich macht. Anzurufen und einen Termin abzustimmen.

Über den Autor: Patrick Utz ist Vertriebsexperte und Sales-Trainer. Aufgewachsen in einer Unternehmerfamilie versteht Utz wie kein Zweiter, aktiv neue Kunden zu gewinnen und den eigenen Betrieb gezielt zu entwickeln. Der Ökonom ist Autor von «Verkauf. Schlau. Machen.». Das Buch steht ab 14. Mai im Fachhandel und kann bereits jetzt überall vorbestellt werden.
Zu seinen Kunden gehören Konzerne wie SAP oder Bring, KMUs im DACH-Raum sowie die drei großen Schweizer Universitäten St. Gallen, Zürich und ETH Zürich. Der Extremsportler lief als erster Schweizer den Marathon am Nordpol. Es folgten «Adventure-Races» in Island, Skandinavien und Schottland.


Patrick Utz Portrait

Patrick Utz

Verkaufstrainer, Unternehmensberater

Patrick ist seit 2008 in der umsetzenden Beraterrolle und geniesst die Auseinandersetzung mit den Herausforderungen seiner Kunden. Diese Kunden kommen aus der DACH-Region. Genauso wie unser Team.

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